Faktencheck: Bist du am Burnout selbst schuld?
Shownotes
Schluss mit Betroffenen-Blaming: Was die Wissenschaft wirklich über Burnout sagt
Anlässlich der Aussage einer öffentlichen Stimme, wird heute mal die Faktenlage gecheckt. Du kennst es vielleicht: Eine:e Kolleg:in hat einen Burnout und du erwischt dich bei dem Gedanken, dass er:sie wohl einfach nicht gut genug aufgepasst hat? Du hast schonmal gehört, dass du wohl nicht resilient genug bist, deine Grenzen nicht ziehen kannst oder einfach zu perfektionistisch bist? (Aber gleichzeitig bitte deine top Leistung weiter erbringen sollst, ist ja klar).
Heute schauen wir uns an: ✓ Was entspricht dem Wissensstand über Burnout und was sind leistungsgesellschaftlich & neoliberal geprägte Erzählungen, die sich immer weitertragen? ✓ An welcher Stelle Systeme Verantwortung übernehmen müssen & wo deine Handlungsmöglichkeiten liegen ✓ Welcher Paradigmenwechsel jetzt nötig ist
Denn (Spoiler): So einfach ist es mal wieder nicht. Aber hey, das macht das Leben doch spannend.
Deine Meinung & Erfahrungen sind gefragt! Erkennst du dich in manchen Thesen wieder? & vor allem: Was sollte passieren, damit die Systeme unseren Bedürfnissen mehr entsprechen? Schreib dies gern in die Kommentare oder schreibe mir gerne an podcast@vagemutig.de oder über das Kontaktformular auf www.vagemutig.de.
Ich freue mich extrem über Fragen oder Berichte von euch, die ich hier anonym vorstellen kann.
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Schön, dass du bist.
Ann-Christin
Transkript anzeigen
00:00:00: So meine Lieben, jetzt habe ich es geschafft, mein Mikrofon richtig einzustellen, damit die Qualität auch stimmt.
00:00:06: Vielleicht hörst du sogar mein Mineralwasser im Hintergrund sprudeln.
00:00:11: Das nehme ich jetzt in Kauf, weil ich mich so darüber freue, weil ich dieses Entro nicht zum ersten Mal aufnehme.
00:00:19: Aber mir ist ja wichtig, dass die Qualität auch stimmt und du Bock hast, dir das anzuhören.
00:00:25: Genau, herzlich willkommen zur neuen Folge, in der ich ein bisschen Aufgewühlt bin, weil ich bin jetzt auf LinkedIn unterwegs.
00:00:34: Wenn du Bock hast, nach mitzugucken, findest du mich unter Wagemutig oder unter Antpristine Gerricks.
00:00:41: Und da gibt es sogenannte Top-Voices.
00:00:43: Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht genau, wie man die wird.
00:00:46: Aber irgendwie wird man auserkoren, dass man was relevantes zu sagen hat und dann kriegst du so ein Batch oben drauf.
00:00:53: Und da habe ich vor ungefähr zwei Wochen gelesen, von einem Menschen, der Autor ist und einen Podcast hat und selbst zweimal von Bernard betroffen war, ganz dick der Claim, du bist selbst schuld, wenn du ein Bernard hast.
00:01:08: Und das finde ich nicht okay, muss ich sagen.
00:01:13: Weil ich die Person nicht pushen will, habe ich auch nicht in die entsprechende Podcast-Folge von ihm reingehört, wo er hoffentlich die Chance genutzt hat, diese Ein Anführungsstrichen-Tese.
00:01:24: Behauptung, irgendwie differenziert ein bisschen auseinanderzunehmen und zu erklären, was für ihn aus seiner Sicht als ehemals Betroffener da so hintersteckt.
00:01:33: Oder vielleicht auch nicht ehemals Betroffener, ich weiß nicht, ob man je ehemals betroffen ist.
00:01:38: Naja.
00:01:40: Und das hat mich echt richtig bewegt, weil gerade von jemandem, der selbst betroffen war, habe ich irgendwie was anderes erwartet.
00:01:48: Vielleicht ist es irgendwie so ein Clickbait-Satz und danach wird es, wie gesagt, ein bisschen differenzierter.
00:01:55: Aber ich bin echt nachdenklich geworden.
00:01:58: Zum einen habe ich mich gefragt, vergisst man vielleicht auch wirklich irgendwann, wie sich das angefühlt hat?
00:02:04: Weiß ich noch nicht.
00:02:06: Und das zweite, was mich bewegt, ist, dass meine Folgen hier ja auch immer ganz doll an dem ansetzen, was man selber verändern kann.
00:02:18: Und dahinter steckt aber nicht, dass ich denke, du irgendwie die Behauptung oder die Annahme, man ist irgendwie komplett selber schuld an den Burnout, sondern die Idee, man hat Einflussmöglichkeiten.
00:02:30: Und daran möchte ich erinnern, wenn man irgendwie das Gefühl hat, ich schlitter da rein, ich stecke da drin oder ich will mich da wieder rausarbeiten.
00:02:37: Und heute ist vielleicht endlich mal Zeit.
00:02:41: Na vermutlich habe ich es zwischendrinne schon mal gemacht, aber ich gehe das hier alles mal in den Kontext zu setzen und uns das im Großen und Ganzen anzugucken.
00:02:52: Es ist einfach eine komplexe Geschichte, aber mit Burnout betroffenen Blaming wollen wir aufhören.
00:03:01: Genau, aber bevor wir das tun und ich hier überprüfe, was sind so?
00:03:06: Systemische Sachen, was sind so Mythen, die sich immer wieder weiter tragen und wo sind aber tatsächlich auch Felder, die man sich selber angucken kann und wo man selber Einfluss drauf hat?
00:03:17: Lass ich dich jetzt nochmal mit meiner tollen Intro Musik ein bisschen abdänzen und dann starten wir rein.
00:03:41: Hey, du hörst Burnout, wagemutig zwischen Kraft und Krise.
00:03:45: Mein Name ist Angristin und hier beleucht ich Burnout von allen Seiten, persönlich, systemisch und strukturell, damit du dich schützen und rechtzeitig gegenwirken kannst, Betroffene besser verstehst oder nachhaltig aus der Krise gelangst.
00:04:01: So oder so, du bist nicht allein.
00:04:04: Atme durch, wir starten!
00:04:06: Ja, und vielleicht zum Start noch mal, warum diese Folge so wichtig ist.
00:04:11: Ich finde, hat mir so vorgestellt, ich hätte das gelesen, als ich so in dieser akuten Burnout-Phase war.
00:04:19: Und ich meine, dann ist man sowieso ja schon so von Charme und Selbstvorwürfen belastet und mit so vielen anderen Dingen.
00:04:30: Und das dann zu lesen, verstärkt das ja noch viel, viel mehr.
00:04:35: dann habe ich gedacht, wenn ich das gelesen hätte, dann hätte das vermutlich auch nochmal verzögert, dass man sich irgendwie Unterstützung sucht oder das angeht, weil sich, weil diese Scham eben auch nochmal so gesteigert wird und man auch Schuld fühlt und ja, dass auch so eine Selbstbeschuldigung ja auch nochmal gestärkt wird.
00:04:58: und ja, man vielleicht sonst auch wenn man noch die Kraft aufbringen kann, sagt ich mach jetzt erst mal so weiter oder sich eben zurückzieht und das ist ja irgendwie auch voll das Stickmar und dass man irgendwie noch mehr Angst auch hat vor Bewertung.
00:05:13: Weil ich hab's auch hier in die Show Notes geschrieben oder in die Folgenbeschreibung.
00:05:18: Wir sind ja alle nicht frei davon, dass wir vielleicht auch schon mal so Sachen gedacht haben wie bzw.
00:05:24: ich kann ja nicht von dir sprechen, ich kann von mir sprechen.
00:05:28: Es gibt ja einen Grund, warum Menschen das behaupten.
00:05:30: Und ich will mich nicht freimachen.
00:05:32: Ich habe auch schon mal den Gedanken gehabt, als ich bei einem Arbeitgeber war, wo extrem, extrem viel Arbeit lag und verantwortungsvolle Arbeit lag und die Strukturen echt nicht cool waren, um dieser Arbeit gerecht zu werden.
00:05:51: Und dann eine Kollegin ausgefallen ist, wo man vermutet hat, dass Burnout oder eine Art von Überlastung dahinter steckt, aber es wurde ja nicht drüber geredet, weil da wird ja auch nicht drüber geredet.
00:06:02: Da sind wir beim ersten Problem irgendwie, dass ich in meiner Überforderungssituation auch so Gedanken hatte, wie, jetzt zieht die sich daraus, die lässt uns hier im Stich.
00:06:14: So, und... Irgendwie ist es ja wichtig, das zu hinterfragen und jetzt hier das nicht gesellschaftlich immer weiter zu reproduzieren.
00:06:21: Weil, wo landen wir denn da?
00:06:23: Es gibt ja irgendwie einen Grund, warum auch im vorletzten Jahr schon wieder hundred- sechsen- achtzigtausend, glaube ich, Menschen eine offizielle Burnout Diagnose haben.
00:06:32: Und es werden noch mehr sein, die eben diese Diagnose nicht bekommen haben.
00:06:38: Also, ja.
00:06:40: Wir nehmen das heute mal auseinander.
00:06:41: Warum hält sich das denn so gängig?
00:06:44: Und genau, was steckt dahinter?
00:06:46: Und dann aber auch... Hier, wir haben wieder zwei Seiten.
00:06:49: Einmal das gesellschaftliche, einmal das individuelle.
00:06:53: Und ich habe hier fünf gängige gesellschaftliche Glaubenssätze rausgesucht und guck auch immer, was davon ist dann tatsächlich vielleicht auch ein persönlicher Anteil, damit wir das ja einmal ausdifferenzieren und... und solche Claims weniger begegnen.
00:07:11: Wir haben Argumentationsfutter.
00:07:13: Wir können uns selber mit unseren Annahmen auseinandersetzen.
00:07:16: Ich meine, wir sind ja auch die Gesellschaft, sind ja nicht nur die anderen.
00:07:19: Und wir sind auch das System, sind ja auch nicht nur die anderen.
00:07:24: Genau.
00:07:24: Und finden aber hoffentlich auch Ansatzpunkte bei uns.
00:07:28: Also, Mythos Nummer eins oder Glaubenssatz Nummer eins.
00:07:32: Du hast einfach nicht genug Resilienz.
00:07:36: Und dahinter steckt die Idee, Burnout entsteht einfach nur durch mangelnde psychische Widerstandskraft.
00:07:43: Und wenn man stark genug sei, dann kann man doch mit einem umgehen, ne?
00:07:46: Mach dich ja nur stärker.
00:07:49: Gesellschaftlich gesehen, meiner Ansicht nach wird da Resilienz als Allheilmittel total überbetont und Resilienz ist total wichtig.
00:08:00: Resilienz ist quasi der Fachbegriff für die persönliche Widerstandskraft, für diese Schutzmechanismen, die man hat.
00:08:08: Und die sind natürlich wichtig, die aufzubauen, dass man nicht durch jede Böhe, die im Leben kommt, früher oder später wird sie ja kommen, bei den einen früher, bei den anderen später, dass die eigentlich direkt aus den Latschen kippt, sondern dass man irgendwie in sich entwickelt, die Idee von, ich schaff das auch mit Herausforderungen umzugehen.
00:08:31: Aber was ist denn das für eine Haltung, immer zu sagen, ja, dann musst du halt mehr Resilienz aufbauen?
00:08:38: Gegen gewisse Dinge im Außen kann man sich nicht einfach nur Resilienz aufbauen.
00:08:43: Also Resilienz bedeutet auch nicht Unverwundbarkeit und oft steckt da noch diese Idee auch hinter vorne, reiste ich halt zusammen.
00:08:51: oder ja auch dieses individualistische Gesellschaftsbild, jeder ist einfach nur seines Glückes schmied.
00:08:59: Das heißt, jeder hat auch nur Also so komplett in die Eigenverantwortung zu gehen.
00:09:04: Natürlich hat jeder Mensch von uns auch Selbstverantwortung, ne?
00:09:09: Ganz ganz klar.
00:09:11: Aber ich möchte einmal wach machen.
00:09:13: Ich geb nämlich jetzt auch noch immer ein Schutzclaim mit.
00:09:16: Resilienz macht mich nicht unzerstörbar.
00:09:19: Die hilft mir zu erkennen, wann Strukturen krank machen.
00:09:23: Oder wann ich mich mit Menschen umgebe oder in Orten befinde, die mir einfach nicht gut tun.
00:09:28: Die hilft dir das zu erkennen.
00:09:30: Die hilft dir Sachen abzufedern.
00:09:32: Aber die macht dich ja nicht unzerstörbar.
00:09:35: Und... Was man sich aber selber fragen darf, ist, welche meiner bisherigen Strategien haben wir wirklich geholfen?
00:09:44: Wo brauche ich vielleicht noch Unterstützung beim Umgang mit Stress?
00:09:47: Und man kann sich auch angucken, wie habe ich das gelernt?
00:09:51: Weil einfach nur Stressmanagement Tools, die sind auch nicht nur acht fünfzehn für jede Person.
00:09:57: Jede und jeder von uns funktioniert auch unterschiedlich.
00:10:01: Denken wir nur an neue, divergente Menschen.
00:10:04: Ähm, deren gehen auch einfach echt komplett anders funktionieren als die, äh, komplett anders stimmt nicht, aber du weißt, was ich meine, wo einfach andere Dinge ziehen und auch, na, bei neurotypischen Menschen funktioniert man einfach mit anderen Mechanismen und verschiedene Tools wegen unterschiedlich und das spielen so viele Faktoren eine Rolle.
00:10:25: Na auch, wie früh bist du schon in deinem Leben mit Stress in Kontakt gekommen, werden vielleicht Vielleicht auch durch frühere Traumata, wirklich durch stressige Situationen, die auch ein volles E-Mail-Postfach sein kann, kann alte Kindheitstraumata bzw.
00:10:43: dieselbe Reaktion auslösen, weil sie in die Kerbe schlägt von, oh mein Gott, da ist irgendwas, was ich gerade nicht bewältigen kann.
00:10:50: So, also individuelle Stressverarbeitung spielt eine Rolle und natürlich auch die Selbstwahrnehmung.
00:10:57: Wann nehme ich meine Wahnsignale rechtzeitig wahr?
00:11:00: Das sind alles Sachen, die man sich individuell anschauen kann, aber du musst dir von niemandem sagen lassen, dass du nur einfach nicht genug Resilienz hast.
00:11:12: Und Resilienz ist kein, ja, ist ja schon eine Superheld in den Kraft, schon auf eine Art, aber die macht die nicht unzerstörbar.
00:11:23: So, der zweite Satz, den du, wenn du mit dem Thema Überlastung der Schöpfung Burnout zu tun hast und bestimmt schon mal gehört hast oder meinst, an Gesichtern abgelesen zu haben ist, du kannst deine Grenzen wohl einfach nicht ziehen.
00:11:37: Dahinter die Idee, Burnout-Betroffene sind einfach nur zu schwach, nein zu sagen oder haben schlechtes Selbstmanagement und überschätzen sich da.
00:11:48: So, gesellschaftlich gesehen, wird Grenzensätzen da einfach nur als reine Willenssache dargestellt.
00:11:54: Man ignoriert komplett strukturelle Machtverhältnisse oder auch die Strukturen, in denen Menschen sich befinden, die oft über ihre Grenzen gehen.
00:12:02: Und da gibt es ja Gründe für.
00:12:05: Strukturelle Gründe als Beispiel können sein.
00:12:08: Du trägst Verantwortung für eine Familie und hast da einfach viele Aufgaben zu erledigen, wo du nicht einfach immer einen Einsagen kannst, wenn du merkst, ne, fühle ich heute nicht, weil da einfach Dinge dranhängen, wie hier müssen Menschen versorgt werden, hier muss Miete gezahlt werden oder Eigentum abbezahlt werden.
00:12:29: So.
00:12:32: Struktur oder Machtverhältnisse, die dahinter stecken können, können sein, wie ich bin in einem Arbeitsverhältnis, wo mein Chef oder meine Chefin total... Ich nehme jetzt einfach dieses Wort toxisch in den Mund, weil mir gerade kein besseres einfällt, total hohen Anspruch hat, vielleicht wirklich richtig wütend wird, wenn man den mal nicht erfüllt und einfach... ausgesprochen oder unausgesprochen verlangt, dass du bei deine Grenzen gehst, weil dir schon oft klar gemacht wurde, sonst verlierst du den Job und du bist von dem abhängig.
00:13:02: Das kann auch so.
00:13:03: was sein wie du bist in einem Arbeitsverhältnis, was man oft aus sozialen Bereichen kennt, aber auch aus vielen anderen, wo die Strukturen einfach auf so einem Mangel aufgebaut sind, dass du weißt, wenn ich das nicht mache, dann muss hier im Pflegeheim dann wird... die Person nicht gewaschen oder dann wird dieses Kind nicht geschützt.
00:13:27: Da geht es nicht nur darum, ob du Nein sagen kannst.
00:13:31: Und gleichzeitig gibt es dann natürlich trotzdem individuelle Anteile.
00:13:37: Wie nimmst du deine Grenzen wahr oder hast du dich schon total daran gewöhnt, immer darüber zu gehen?
00:13:44: Wie kannst du die kommunizieren?
00:13:46: oder löst es was in dir aus, wenn du mal Nein sagst?
00:13:50: Das kennen viele Menschen von uns bestimmt gut, dass sich das total unsicher anfühlt, weil man eigentlich darauf trainiert, es immer ja zu sagen, vor allem weiblich sozialisierte Personen, persönliche Ängste vor Konflikten oder Ablehnungen können eine Rolle spielen.
00:14:08: oder auch, dass man eigene Bedürfnisse oft gar nicht richtig wahrnimmt oder eher später.
00:14:14: Und der Schutzclaim, den ich dir jetzt mitgebe, ist, ich lerne Grenzen zu ziehen, aber das System muss aufhören, sie ständig zu überfahren.
00:14:23: Und die Selbstreflexionsfrage, die ich dir mitgebe, ist, was macht es mir persönlich besonders schwer, nein zu sagen und welche kleinen Schritte kann ich gehen, um meine Grenzen besser zu spüren?
00:14:34: Das ist überhaupt keine kleine Selbstreflexionsfrage.
00:14:39: Aber wenn du Bock hast, da mal hinzugucken, kannst du da anfangen.
00:14:43: So, die dritte Sache, die du vielleicht schon mal gehört hast.
00:14:46: Du bist zu perfektionistisch.
00:14:49: Dahinter steckt die Idee, Burnout entsteht nur durch übertriebenen Perfektionismus und komplett falsch gesetzte Prioritäten.
00:14:56: Und Perfektionismus wird so als Charakter schwächer stigmatisiert.
00:15:01: Auch da wird wieder der systemische Leistungsdruck komplett außer Acht gelassen.
00:15:06: Bin ich nur perfektionistisch oder... verlangt mein Arbeitsfeld auch wirklich Perfektion und viel zu viel Leistung in viel zu wenig Stunden von mir ab.
00:15:16: Das kannst du ja nicht nur ändern, also kannst ja nicht nur du ändern, so falsche Betonung.
00:15:25: Ja, da werden einfach die Qualitätsanforderungen am Arbeitsplatz komplett außer Acht gelassen und oft, finde ich, wird genau an dieser Stelle trotzdem verlangt und es wird auf der einen Seite gesagt, du bist zu perfektionistisch und gleichzeitig wird aber von dir verlangt, dass du bitte genauso weiter machst und diese Leistung ablieferst.
00:15:44: So, also und ich will einmal sagen, Perfektionismus ist nichts.
00:15:48: Falsches und nicht unbedingt was Schlimmes.
00:15:51: Ich liest da gerade ein super spannendes Buch drüber.
00:15:53: Wenn ich das interessiert, dann schreib mal gerne, dann könnte ich dazu auch eine Folge machen, die mir hilft, das nochmal von verschiedensten Seiten und so ein bisschen differenzierter anzugucken.
00:16:03: So, und gleichzeitig kommen wir zum individuellen Anteil, der kann schon irgendwann echt belastend werden, vor allem wenn der vielleicht durch Kindheitserfahrung entstanden ist oder in irgendeinem anderen Kontext, wo du das Gefühl hast, ich muss immer perfekt sein, ich muss das immer bestmöglich machen, weil sonst punkt, punkt, punkt, füg beliebigen Glaubenssatz ein.
00:16:28: Und auch die Angst vor Fehlan oder Kritik kann natürlich irgendwie auch persönliche Wurzeln haben, wie gut man damit umgehen kann.
00:16:39: Gleichzeitig ist es aber auch wichtig zu gucken, wo auch immer die Belastung bei dir liegt, ob sie jetzt am Arbeitsplatz liegt oder in einem anderen.
00:16:48: persönlich herrenraum die frage wie ist denn da die fehlerkultur und wie ist da die rückmeldungskultur?
00:16:55: und wie ist da die idee von wir entwickeln uns hier zusammen weiter und fehler zu machen und nicht immer hundert prozent leistungsfähig zu sein ist irgendwie auch ganz normal.
00:17:07: Also als Schutzclaim gebe ich dir mit, mein Perfektionismus ist oft eine Antwort auf unmögliche Anforderungen.
00:17:14: Nicht unbedingt mein Charakterfehler.
00:17:17: Und die Selbstreflexionsfrage, die du dir stellen kannst, wenn du die nehmen möchtest, woher kommt denn mein Drang nach Perfektion?
00:17:25: Und was würde passieren, wenn ich mal nur gut wäre?
00:17:31: Oder auch mal irgendwo nicht gut drin?
00:17:34: So kannst du mal gucken, was geht da in dir an?
00:17:38: Genau.
00:17:38: Dann vierte Aussage.
00:17:42: Du hast die falschen Bewältigungstrategien.
00:17:44: Du musst nur genügend Meditieren, Sport machen, deine Work-Live-Balance ausbalancieren.
00:17:53: Dann wird das schon.
00:17:54: Und da ist so gesellschaftlich die Idee von, ist ja jetzt hier auch überall unterwegs, wellenes Kultur als Lösung für strukturelle Probleme.
00:18:04: Ja.
00:18:05: wenn es in den Strukturen und Systemen Probleme gibt, weil Personalmangel da ist, Fachkräftemangel da ist, weil die Sorgearbeit zu Hause nicht aufgeteilt wird auf mehreren Schultern, weil ... weiß ich nicht, die Kinderbetreuung regelmäßig wegfällt oder man keinen Platz bekommt.
00:18:23: So, dann hilft dir nicht, nur wenn du zum Yoga gehst, irgendwie dagegen, das löst halt systemische Probleme nicht.
00:18:30: Und da werden diese systemischen Stressfaktoren manchmal komplett individualisiert.
00:18:35: Und dann, finde ich nochmal das Schlimme, krieg ich mir irgendwie noch mehr Druck, weil man denkt, oh Mann, ich meditiere aber nicht oder ich mache nicht, bewegt mich nicht so viel oder ich esse nicht so gesund wie ich sollte oder ich kann mir diese... Ich weiß nicht, was kosten Kerzen manchmal mit einem gewissen Geruch.
00:18:51: Weil ich manchmal erschrocken.
00:18:52: Ich kann mir die nicht leisten.
00:18:55: Wie auch immer.
00:18:56: Und dann fühlt man sich noch schlechter.
00:18:59: Genau.
00:19:00: Und der individuelle Anteil, den man sich aber angucken darf, wenn man möchte, ist... Welche selbstfür Sorge-Praktiken hast du denn tatsächlich?
00:19:08: Na wo fühlst du dich gut?
00:19:10: Welche Bewältigung-Strategien hast du, die vielleicht gar nicht gut für dich sind, weil du dich dann durch noch mehr in Arbeit stürzt, weil du vielleicht irgendwas konsumierst, was gar nicht gut für dich ist?
00:19:21: Und natürlich lässt sich so Regulation auch trainieren.
00:19:25: Da habe ich ja hier auch einige Folgen zugemacht.
00:19:29: Und da war die passende Strategie zu finden, ist ein individueller Prozess und ich glaube auch ein lebenslanger Prozess.
00:19:36: Also Schutzclaim, selbst für Sorge ist wichtig, aber kein Pflaster für strukturell kaputte Systeme, die letztendlich dann auf deinem Nacken ausgetragen werden.
00:19:47: Und eine Frage, die du durchstellen kannst, ist tatsächlich, welche Bewältigung Strategie nutze ich, welche davon nähern mich denn auch wirklich anstatt mich nur abzulenken.
00:19:57: So, und kommen wir schon zum letzten.
00:20:00: Auch schön, da hast du wohl den falschen Job gewählt.
00:20:03: So, Burnout als Zeichen für schlechte Berufswahl oder mangelne Leidenschaft für das, was man hat.
00:20:10: Weil Burnout Symptome zeigen sich ja zum Teil auch darin, dass man so in diese innere Kündigung geht, aber letztendlich nicht wirklich geht.
00:20:19: Ja, da wird aber letztendlich, finde ich... Beruf auch ein bisschen romantisiert, dass es immer eine Berufung sein muss und für eine Berufung ist man dann bereit über seine Grenzen zu gehen.
00:20:32: Da, finde ich, werden strukturelle Arbeitsmarktprobleme übersehen und letztendlich steckt da ja auch die Behauptung hinter, wenn du das Richtige machst, brennst du nicht aus und das ist definitiv nicht der Fall.
00:20:47: Und gleichzeitig kann man sich individuell anschauen, warum bin ich da, warum gehe ich nicht, wenn mich ganz viele Dinge stören.
00:20:55: Oder sorgt dafür, dass ich perspektivisch irgendwann geordnet gehen kann.
00:20:59: Ich rede jetzt nicht davon, du musst jetzt heute die Königung einreichen, sondern nun mal langfristig zu gucken, wo merke ich denn, dass ich da irgendwie mehr spüren will oder anders arbeiten will?
00:21:10: und was muss ich tun, um dahin zu kommen.
00:21:13: Genau, und zu gucken, was sind so meine eigenen Ziele, Antreiber in persönlichen Werte, Bedürfnisse, wie geht das überein?
00:21:22: Ein Job wird ja niemals alles mitbringen voraussichtlich, aber zu gucken, wo sind da deine Prioritäten?
00:21:31: Da kann man sich auf jeden Fall selbst mal anschauen, was an meiner Arbeit erfüllt mich wirklich und was raubt mehr Energie?
00:21:37: und was liegt am Job versus was liegt in den Rahmenbedingungen.
00:21:41: Und als Schutzclaim gebe ich dir aber mit, du bist nicht falsch im Job.
00:21:45: sondern vielleicht ist der Job auch falsch für die Menschen, die da arbeiten.
00:21:52: So, und jetzt kommen wir zur Konklusion.
00:21:55: Es ist nämlich wissenschaftlich nachweisbar, dass die Organisationen, in denen man steckt, eine Verantwortung tragen.
00:22:05: Also, dass die Verantwortung dann nicht auch bei Burnout komplett auf den individuellen Schultern liegt.
00:22:12: Sonst wären auch nicht.
00:22:14: Zweiundachtzig Prozent der Arbeitnehmer in Burnout gefährdet, also bringen ein gewisses Risiko mit.
00:22:20: Überleg mal, das ist ja fast jeder Mensch.
00:22:25: Genau, und es gibt eine neuere McKinsey-Studie, die auch betont das systemische Ansätze, also wo man sich die verschiedenen Ebenen angeguckt hat.
00:22:35: Das ist die Verbesserung bei Burnout.
00:22:38: und auch hinsichtlich mentaler Gesundheit am Arbeitsplatz allgemein bringt.
00:22:43: Also wir landen immer wieder beim systemischen Gedanken, denn wir wissen ja auch, Bernard ist nicht nur ein Arbeitsplatzproblem.
00:22:49: Tatsächlich haben... In irgendeiner Studie von vor einigen Monaten weniger als dreißig Prozent der Befragten ihren Job als Hauptgrund für Burnout verantwortlich gemacht, sondern die breitere gesellschaftliche Dimension spielt eine entscheidende Rolle.
00:23:06: Also Burnout ist ein gesellschaftliches Phänomen, nicht nur ein Arbeitsplatzphänomen und systemische Stressfaktoren findet man in allen Lebensbereichen.
00:23:14: Ich habe ja gerade auch schon ein paar aufgezählt.
00:23:18: Vielleicht kann man Stressfaktoren auf dem Job gut kompensieren, wenn man dafür irgendwie genug Geld verdient, wenn man ein sicheres Zuhause hat, wenn man Zuhause hat, indem man sich wohlfühlt, wenn man stabile Beziehungen hat, wenn man ganz viel Resilienz hat.
00:23:34: Also, wie auch immer du dir das vorstellst.
00:23:39: Aber nicht, wenn dann noch sich andere Herausforderungen dazukommen.
00:23:44: Und dann natürlich der Druck durch soziale Medien, durch die Leistungsgesellschaft, durch Zukunftsängste, die mittlerweile fast jeden Menschen plagen und durch die zunehmende soziale Fragmentierung.
00:23:57: Das spielt alles eine Rolle.
00:23:59: Das heißt, Burnout ist eine ganz normale Reaktion auf Umstände.
00:24:05: die sich nicht so normal für uns Menschen anfühlen.
00:24:10: Und tatsächlich ist auch wissenschaftlich nachgewiesen, dass Burnoutraten proportional zur Arbeitsverdichtung steigen.
00:24:19: Das heißt, auch wenn du eine hohe Resilienz hast, kannst du Burnout entwickeln.
00:24:25: So.
00:24:26: Und statistisch gesehen trifft es auch oft besonders engagierte, gewissenhafte und kompetente Menschen, also genau die Menschen, die das System am meisten ausnutzen kann und gleichzeitig am dringendsten braucht.
00:24:41: Das heißt, du bist nicht das Problem und du bist nicht schuld, sondern du bewegst dich offenbar in irgendeinem Umfeld, was dir nicht gut tut.
00:24:54: Es ist halt ein Paradigmenwechsel, wirklich längst überfällig, dass wir gucken, wo.
00:25:00: weg von der individuellen Schuld zur organisationalen Verantwortung und auch weg von dieser Symptombehandlung, wo immer mal wieder ein Pflaster draufgeklebt wird, zur Ursachenbehebung.
00:25:13: Und da müssen sich Arbeitgeber müssen in Verantwortung gehen und sich Sachen angucken.
00:25:19: Aber natürlich auch die Betroffenen selber.
00:25:22: Mich hat auch ganz viel die Frage beschäftigt.
00:25:26: Oder es gibt ja auch einen Grund, warum ich diesen Podcast hier starte.
00:25:29: Was kann ich denn anders machen?
00:25:31: Wie kann ich dafür sorgen, dass ich da nicht wieder hinkomme und dass ich mich wieder stabiler und sicherer fühle und mich handlungsfähiger fühle und dass ich mehr bei mir bin und präsenter bin?
00:25:43: Das ist natürlich auch alles ein bisschen Wundenlecken in Anführungszeichen oder Wundenversorgen, aber auch mich neu aufstellen und ich sehe da also durchaus Ansatzpunkte für Individuen.
00:25:58: Und gleichzeitig ist es ja auch komplex, dass dahinter die Frage steckt, warum bin ich denn so über meine Grenzen gegangen, war zum Beispiel eine Frage, die mich total bewegt hat.
00:26:09: Und das hat ja ganz, ganz viele Gründe.
00:26:11: Das hat die Gründe, dass ein Arbeitssystem, in dem ich war, einfach grenzenlos war.
00:26:18: Das hat das Problem, dass... Ja, dass ich so gegen mich gefühlt habe, als müsste ich gegen Windmühlen arbeiten, weil so viele neue Betroffene von dem Thema, mit dem ich gearbeitet habe, produziert wurden.
00:26:33: Also weil so viel Gewalt herrscht, ja, in der Welt.
00:26:39: Und dann aber natürlich auch andere Faktoren wie, dass es schwer fällt, nein zu sagen, dass es schwer fällt, sich selbst zu priorisieren.
00:26:47: Und da muss natürlich jeder bei sich gucken, woher kommt das bei mir?
00:26:51: und wie kann das anders werden?
00:26:54: Aber Burnout-Betroffene einfach hier nur zu blame nützt überhaupt niemand mehr irgendwas, sondern das führt dazu, dass sich unser neoliberales, leistungsgesellschaftlich geprägtes System und das wird ja gerade, ich weiß nicht, ob ich hier politisch werden will, aber was solls?
00:27:16: Wir müssen ja nur die Nachrichten anschalten und wir sehen wie dieses Narrativ hier weiter.
00:27:21: vorangetrieben wird, in welche Richtung getreten wird, anstatt dass man sich anguckt.
00:27:28: Wie müssen Systeme einfach verändert werden, damit die wieder passen zur heutigen Lebensrealität?
00:27:37: Also Fazit, du hast Möglichkeiten, du hast Einflussmöglichkeiten, du hast Handlungsspielraum.
00:27:45: Und du hast natürlich Verantwortung für dich, aber lass dir nicht einreden, dass du schuld bist.
00:27:52: Genau.
00:27:52: Und ich weiß auch gar nicht, ob das überhaupt was nützt, immer den ein, die eine Schuldige zu suchen, sondern eigentlich sollten wir doch dahin gucken, wie kann es besser werden für alle, anstatt einfach mit dem Finger in eine Richtung zu zeigen.
00:28:08: So.
00:28:09: Ja, so viel von meiner Seite.
00:28:14: Mich wird wirklich enorm interessieren.
00:28:17: Was du denkst beim hören, was dir für Fragen kommen.
00:28:20: Vielleicht sind dir gerade Erfahrungen in den Kopf geschossen.
00:28:25: Vielleicht siehst du irgendwas total anders, dann würde ich mich ultra freuen, wenn du einen Kommentar da lässt oder wenn du an podcast at wagemutig.de schreibst oder auch an info at wagemutig.de oder auf www.wagemutig.de vorbei schaust, da gibts auch einen Kontaktformular.
00:28:44: Du kannst mir da reinschreiben, genau.
00:28:48: Ob ich das öffentlich auch einmal benennen darf, ich würde deinen Namen auf jeden Fall nicht nennen.
00:28:54: Und dann könnten wir hier mal in irgendeiner Folge auch mal über deine und eure Rückmeldung sprechen.
00:29:00: Das fände ich voll wichtig, dass die ja auch Platz finden.
00:29:03: und ich nicht hier nur in meinem eigenen Kosmos herum schwere.
00:29:07: Ich freue mich auch, wenn du eine Bewertung da lässt.
00:29:09: und ja, vor allem freue ich mich, wenn du gut auf dich ach gibst und gut für dich sorgst und nicht nur dich, sondern auch die Welt um dich herum liebevoll anschaust.
00:29:19: Wir hören uns nächste Woche!
00:29:39: Wir wissen alle, wie wichtig Wertschätzung für die eigene Arbeit ist und möchten ja einen Unterschied bewirken.
00:29:45: Du kannst meine Arbeit ganz leicht unterstützen, indem du eine Bewertung für die Show abgibst, auf Folgen oder auf die Glocke klickst.
00:29:54: Wenn du aus dieser Folge etwas mitnehmen konntest, dann speichere sie dir gerne ab oder leite sie an jemanden weiter.
00:30:01: Lass auch gern etwas von dir da.
00:30:03: Einen Kommentar oder eine Mail an info at wagemutig.de mit Rückmeldung, Folgenwünschen oder auch Beratungsanliegen.
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